Steinmühle im Chaos
Am Morgen beginnt das Chaos schon auf dem Steinmühlenweg. Als ich
mit meinem Vater die Straße hin zur Steinmühle fahre, vibrieren unsere Scheiben
schon durch die Bässe der alten Musik. Wir kommen nur schwer auf den Parkplatz,
da die Abiturient:innen die Autos mit Wasserpistolen abspritzen und ihre eigenen
Autos Kreuz und quer überall auf dem Parkplatz parken, sodass sie den Verkehr zur
Schule hin und von der Schule weg vollkommen blockieren.
Der ganze Schulhof ist
komplett mit Menschen überfüllt, da riesige Haufen von Strohballen vor allen
Gebäudeeingängen den Zutritt versperren und alle Schüler:innen auf den großen
Schulhof gehen müssen, wo die Musik und der Trubel noch later sind. Die
Abiturient:innen machen Stimmung für die zuschauenden Schüler:innen und
Lehrer:innen, indem sie Karaoke singen und mit den Lehrer:innen Spiele wie
Sackhüpfen oder Tauziehen spielen. Natürlich kann dadurch, gewollt und geplant,
während den ersten beiden Stunden kein Unterricht
stattfinden.
Ein Abistreich findet schon seit Jahren an fast allen
Gymnasien in Deutschland jährlich statt, da sich so meistens
die Abiturient:innen von der ganzen Schule auf eine
humorvolle Weise von den Schüler:innen und Lehrer:innen
verabschieden. Der Streich selbst ist immer individuell
gestaltet und ereignisreich, da er den an diesem Tag
stattfindenden Unterricht für alle unmöglich machen soll.
Meistens sind die Abistreiche allerdings sehr ähnlich, indem
laute Musik abgespielt, Lehrerrankings gemacht,
Klopapierkreationen gebildet,
Arbeitsblätter in Gebäuden verteilt und Lehrerspiele
gemacht werden, wie zum Beispiel Sackhüpfen,
Tauziehen, Seifenkisten oder Bobbycarrennen.
Bei solchen Ereignissen kann es, laut Schulleitung,
auch schnell passieren, dass sich Menschen
verletzen oder Sachgegenstände kaputt gehen,
weshalb jede Schule eigene Regeln für dieses
besondere Ereignis hat, damit nichts an diesem Tag
eskaliert und nichts und niemand zu Schaden kommt.
Jedes Jahr gibt es, laut Herrn Gemmer, verletzte
Lehrer:innen, da viele von ihnen bei den Action-
Spielen mitmachen, die eben auch ein
Verletzungsrisiko mit sich bringen, wobei generell die
Lehrer:innen auch für sich selber Verantwortung
tragen müssen.
Im Allgemeinen müssen die Abiturient:innen aber in der Steinmühle den Abistreich
ankündigen und mit der Schulleitung besprechen, was gemacht wird, damit alles
genehmigt werden kann und das Kollegium vorgewarnt ist.
Es gibt aber auch Grenzen für den Abistreich, natürlich auch an der Steinmühle. Seit
einigen Jahren wird zum Beispiel kein Schlüssel mehr für die Schulgebäude an die
Abiturient:innen für die Vorbereitung des Streiches hergegeben, da man ansonsten
nicht kontrollieren kann, was gemacht wird und
das Risiko der Sachbeschädigung so steigt.
Dieses Jahr sei einer der Schulleiter, Berndt
Holly, am Sonntagabend in die Schule
gekommen und habe das Hauptgebäude für die
Abiturient:innen aufgeschlossen, um zu wissen,
was der Streich werden würde. Außerdem darf
der ganze Abistreich an der Steinmühle nur in einem bestimmten Zeitrahmen
stattfinden, wie zum Beispiel dieses Jahr in den ersten beiden Stunden, damit das
Aufräumen dann in den darauffolgenden zwei Stunden stattfinden kann, sodass die
Schule noch am selben Tag wieder aussieht wie vorher. „Das Aufräumen hat aber
gut geklappt“, sagte Herr Gemmer, denn das sei eine der Bedingungen für den
Abistreich.
Eines der Probleme beim Abistreich sei allerdings der Alkohol, der oft bei den
Streichen und deren Ausführung eine große Rolle spielt.
„Natürlich gilt ein absolutes Verbot für den Alkoholkonsum während der Schulzeit und
auf dem Schulgelände“, sagte Björn Gemmer, „jedoch kommen manche Abiturienten
schon angetrunken oder betrunken zum Abistreich, was man leider nicht verhindern
kann.“ Viele feiern auch schon am Abend davor beim Vorbereiten, sodass dort auch
schon Alkohol konsumiert wird. Da auch viele die Nacht vor dem Streich an der
Schule übernachten, kommen diese morgens verkatert oder angetrunken zur Schule,
„das kann manchmal sehr niveaulos sein, wenn man bedenkt, dass hier auch Kinder
zur Grundschule gehen, welche dann sehen wie ein Abiturient verkatert mit einer
Wodkaflasche herumläuft.“ (Jan Maye)
Der Abistreich ist auf jeden Fall ein Erlebnis für jeden, da es gerade auch für die
jüngeren Schüler:innen interessant und witzig ist, die
Lehrer:innen zu sehen, wie sie bei witzigen, coolen
und actionreichen Spielen mitspielen. „Die Spiele
können aber auch für die Lehrer witzig sein. Diese
sind zwar oft die selben, aber ich spiele auch gerne
bei diesen mit“, erzählte zum Beispiel Steffen Ullwer, der zum Lehrerkollegium an der
Steinmühle gehört und beim diesjährigen Lehrer:innen-Tauziehen teilnahm.
Für alle Schüler:innen ist es am Morgen des Abistreiches meist eine schöne
Überraschung, zu erfahren, dass durch den Abistreich kein Unterricht möglich ist, da
vorher niemand außer die Abiturienten selbst und die Schulleitung mit ein paar
eingeweihten Lehrern weiß, wann und wie der Streich genau abläuft.
Bei den meisten Schüler:innen, ganz besonders der der oberen Jahrgänge,
entstehen aber auch schon Vorfreude und Pläne für den eigenen Abistreich in ein
paar Jahren.